Mein Bruder Ferdinand ist vor Kurzem bei seiner Freundin in einer Balkonwohnung in Wien eingezogen. Schon kurz nach der Ankunft wurde ein Solarmodul aus Kunststoff am Balkongeländer angebunden, so wie es sich für einen SolMate halt gehört. Keine vier Wochen hat es gedauert, da kam ein Schreiben von der Hausverwaltung.
Erlaubnis der Nachbarn
Ferdinand dürfe laut der Hausverwaltung das Solarmodul nur aufhängen, wenn alle 56 Eigentümer zustimmen und müsse es in der Zwischenzeit wieder entfernen. Man versteht, dass andere Menschen bei der Gestaltung von Gemeinschaftsflächen mitreden möchten. Wohnbauten werden daher von Baubehörden stellvertretend für uns alle genehmigt. Dazu gehört auch die Zustimmung zum Gesamtbild eines Gebäudes. Im Wohnungseigentumsgesetz 2002 wird dann auch noch darauf hingewiesen, dass man ein Mehrfamilienhaus nicht verschandeln darf.
§ 16 Abs. (2) Zi. 1: Die Änderung darf weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses […] zur Folge haben
Klingt erst mal vernünftig. Wo fängt jetzt aber die Beeinträchtigung des Nachbarn an und wo hört sie auf? Wenn man mit Solarmodulen schlussendlich für bessere Stadtluft sorgt, ist das dann eine Beeinträchtigung? Was ist mit hässlichen Balkonmöbel? Darf ich Tomaten und Basilikum am Balkon aufziehen oder findet diese Pflanzen vielleicht jemand hässlich? Wo kommen wir hin, wenn sich jeder ein Solarmodul auf den Balkon hängt?
Wer lange fragt geht weit irr
Ferdinand hat das Solarmodul dort gelassen, wo es hingehört. Am Balkongeländer draußen. Und die Hausverwaltung höflich um die Quelle gebeten, wo drin steht, dass er sein Solarmodul nicht aufhängen darf. Danach ist nichts mehr gekommen.
Im Nachhinein ist Ferdinand froh, dass er nicht vorher um Erlaubnis gefragt hat. Sonst hätte er womöglich noch beweisen müssen, dass er sein Solarmodul auch ohne die Zustimmung der Anderen aufhängen darf.
Recht auf Solarmodule in der Stadt
Laut einem Vortrag über die Wiener Stromnetze komme es in manchen Bezirken zu Problemen im Netz, wenn Solarmodule mehr als 30% der Dachflächen bedecken. Davon sind wir noch sehr weit entfernt. Wie kommen wir jemals in solche Dimensionen, wenn immer alle wegen jedem einzelnen Solarmodul zustimmen müssen?
Jeder sollte das Recht haben, Sonnenlicht sinnvoll zu nutzen, solange es niemand anderem genommen wird.
Und wenn ein Nachbar sich beschwert, wird er zum Plausch auf ein solargekühltes Getränk eingeladen.